Gedenken für die Zwangsarbeiter*innen in Hiltrup
5. Dezember 2025
Gedenkveranstaltung, Hiltrup, Zwangsarbeiter*innen

Auch in diesem Jahr war die kleine Gedenkandacht am sog. „Volkstrauertag“ in MS-Hiltrup für die Zwangsarbeiter*innen wieder gut besucht. Während der Andacht wurden wieder alle Namen der Zwangsarbeiter*innen verlesen, die die Internierung in Hiltrup nicht überlebt haben.
Anschließend haben wir deren Gräber besucht und dort Rosen und Kerzen abgelegt.
Das Folgende ist unsere diesjährige Rede:
Mein Thema ist heute wie das Gedenken nach dem Ableben der Generation der Zeitzeug*innen funktionieren kann und was die Enkel der Zeitzeug*innen machen? Der Schwerpunkt liegt hier bei den Familien und deren Umgang mit der Erinnerung.
Es gibt sehr unterschiedliche Formen wie die Familien der Verfolgten des Naziregimes mit der eigenen Geschichte umgehen. Ein eher negatives Beispiel hörte ich noch letztens. Wo dann die Tochter einer Verfolgten einen Antrag für die Mutter ausfüllen musste und dann eine ganz unglaubliche Frage hatte, die sie einer mit Anträgen erfahrenen Verfolgten stellte: „Wer ist denn der Herr Holocaust?“
Für uns ist der Begriff seit Jahrzehnten bekannt, aber Menschen mit einer sowjetischen und russischen Vorgeschichte benutzten vor Ort sicherlich andere Begriffe, aber sie sind natürlich schon seit Jahrzehnten Teil der deutschen Gesellschaft. Und wer sich interessiert kann auch die gängigen Wörter zur NS-Zeit erlernen. Das ist dann mehr ein kulturelles Vermittlungsproblem.
Auch in dieser Familie gibt es sicher ein Wissen um die Verbrechen der NS-Zeit und dort wird womöglich ein Teil des Wissens weiter gegeben.
Ein anderes Beispiel ist die Familie des Peter Gingold. Einem wichtigen Mitglied der VVN-BdA und ehemaligem Kämpfer der Resistance. Seine Töchter sind bis heute über Jahrzehnte politisch aktiv. Gemeinsam mit dem Enkel von Peter Gingold lesen sie bundesweit aus der Biographie (Paris – Boulevard St. Martin No. 11. Ein jüdischer Antifaschist und Kommunist in der Résistance und der Bundesrepublik) und spielen dazu auch jiddische Lieder. Sie waren auch zweimal hier in Münster.
So findet eine direkte Vermittlung der Familiengeschichte statt.
Auch für die Familien von Franciszek Banas und Waclaw Ceglewski war es sehr wichtig nach Jahrzehnten zu erfahren was überhaupt mit ihren Verwandten passiert ist, wo sie hingerichtet wurden und wo ihre Gräber sind. Was ja bei vielen Hunderttausenden bis zu Millionen Toten des NS-Rassenwahns und des Krieges gar nicht möglich ist oder nur unter hohem Aufwand.
So war es eine Erleichterung für die Familien der beiden Erhängten Waclaw Ceglewski und Franciszek Banas überhaupt nach Jahrzehnten etwas zu erfahren und so den leeren Raum in der Familiengeschichte zu füllen. Die Nichte Wanda Rabiec von Waclaw Ceglewski war vor 2 Jahren mit ihrer Familie zu Besuch in Gimbte und Greven um an unserem Gedenken in den Bockholter Bergen teilzunehmen. 2024 war dann noch der Großneffe des Waclaw Ceglewski Pawel Zon zu Gast bei dem Gedenken.
Marina Weisband ist uns bekannt geworden als Bundessprecherin der Piraten-Partei.
Sie hat hier in Münster studiert und lebt heute noch hier in Münster. Marina Weisband lernte ich kennen als sie einmal bei einem unserer Zeitzeug*innen-Cafés dabei war. Da war sie noch in einer Jugendgruppe der jüdischen Gemeinde aktiv.
Mittlerweile ist sie bei der Grünen Partei und ebenso stark in der Bildungsarbeit aktiv.
2025 sollte sie als Didacta-Bildungsbotschafterin für besondere und nachhaltige Verdienste um Bildung ausgezeichnet werden. Wegen der Anwesenheit der AfD mit einem Stand auf der Messe lehnte Marina Weisband die Annahme folgerichtig ab.
Dieses Jahr habe ich sie noch als Rednerin bei der Gedenkfeier auf dem Geländes des KZ Buchenwald auch Anlass des 80. Jahrestags der Selbstbefreiung des KZ erlebt. Eine sehr gute und überzeugende Rednerin. Ebenso wie sie auch bei mehreren Demos hier in Münster gesprochen hat. Vor allem auch bei dem Protest vor dem CDU-Büro als die CDU gemeinsam mit der AfD abgestimmt hatte. In folgendem Buch geht sie auf die Online-Fragen zum Thema Judentum ein und beantwortet persönliche Fragen, die sich natürlich auch um Antisemitismus drehen.
Marina Weisband, Eliyah Havemann: Frag uns doch! Eine Jüdin und ein Jude erzählen aus ihrem Leben. S. Fischer, Frankfurt 2021
Viele unterschiedliche Ansätze zum Thema und alle geben doch meist gute Antworten.
Weiterführende Informationen:
Liste der 18 verstorbenen Zwangsarbeiter*innen im Lager „Waldfrieden“ in Münster-Hiltrup (1940-1945)




