Ein Erfahrungsbericht vom Ev. Kirchentag

25. Juni 2019

Von den Morden des NSU bis zu den Morden an Flüchtlingen.

Natürlich gibt es Vieles an den Kirchen zu kritisieren. In den Kirchen findet sich das ganze politische Spektrum wieder und eben auch konservative bis rechte Strömungen bis hin zu Militärpfarrern, Fundamentalisten und Verteidigern des Patriarchats. Der Wiederaufbau der Ev. Garnisonskirche in Potsdam ist ein Beispiel dafür, wieviel Einfluss konservative Christen haben. Vor diesem Hintergrund bin ich überrascht, was ich auf dem 37. Ev. Kirchentag vom 19. bis 23. Juni 2019 in Dortmund erlebe:

Seit ca. 20 Jahren ist die erste Veranstaltung auf dem Ev. Kirchentag immer eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des NS.

Denkmal für die Opfer des NSU

Dieses Mal findet sie am Mittwoch Nachmittag (19.6.) vor der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache in Dortmund statt. Die Steinwache war ein Polizeigefängnis in dem von 1933 bis 1945 Tausende inhaftiert und gefoltert wurden. Gegenüber der Steinwache erinnert ein Mahnmal an die Opfer des NSU.

Das Gedenken dauert ca. 75 Minuten und sowohl auf wie auch vor den Bühnen sind viele Menschen beteiligt. Besonders berührt mich der „Monolog von Elif Kubasik“. Das ist die Frau von Mehmet Kubasik, der am 4. April 2006 vom NSU

Tafel in der Steinwache

in Dortmund ermordet wurde. Sie berichtet, wie sie ihren Mann kennen gelernt hat, wie sie geheiratet haben und schließlich nach Deutschland fliehen mussten und hier noch einmal neu anfangen wollten. Wie Mehmet sich in Dortmund selbstständig gemacht hat und wie er dann aus heiterem Himmel erschossen wurde. Sie erzählt von Trauer und Schmerz und von Verdächtigungen und dass die Polizei einen rechtsextremen Hintergrund einfach nicht wahr haben wollte. Jahrelang ging das so. Immer wieder wurde die Familie verhört. Bis dann bekannt wird, dass der NSU die Mordserie verübt hat…

Elif Kubasik prangert die Untätigkeit der letzten Jahrzehnte an. Es werden einige der fast 200 Namen von Menschen verlesen, die seit 1990 von Nazis ermordet wurden. Der Kirchentagspräsident Hans Leyendecker zieht eine Verbindung von den NSU-Morden zum Mord an Walter Lübke in Kassel. Zum Schluss versammeln sich alle Redner*innen hinter einem Transpi „Unser Kreuz hat keine Haken – Christen gegen Rechtsextremismus.“

Ich betrete daraufhin die „Steinwache“, in der einige Zellen rekonstruiert wurden; eine umfangreiche Ausstellung berichtet über die Gefangenen und ihre Peiniger. Überlebende kommen zu Wort, wie z.B.

Edelweißpirat Kurt Piehl

der Edelweißpirat Kurt Piehl, dessen lesenswertes Buch „Latscher, Pimpfe und Gestapo“ ich bereits kenne. Andere Teile der Dauerausstellung berichten über die größeren Zusammenhänge im damaligen Deutschland, über diverse Naziverbrechen und u.a. auch über Anne Frank, die am 12. Juni 90 Jahre alt geworden wäre, wenn die Deutschen sie nicht mit 15 Jahren ermordet hätten.

Auch eine Aktion auf einer Kirchentagsbühne.

Der Mord an Walter Lübke und der NSU sind auch jeweils beim Eröffnungs- und beim Abschlussgottesdienst Thema. Dort wird auch nochmals deutlich, dass der Kirchentag die Seenotrettung von Flüchtlingen („Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt!“) und „Fridays for Future“ unterstützt. Hans Leyendecker sagt dazu:

Gut besuchter Stand der VVN-BdA NRW auf dem Kirchentag.

„Pilatus hat seine Hände in Unschuld gewaschen. – Europäische Politikerinnen und Politiker waschen ihre Hände in dem Wasser, in dem Flüchtlinge ertrinken.“ Die Kollekte wird zur Hälfte für Sea-Watch und die Rettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer gesammelt.