Interview mit Stefan Querl zu den Straßenumbenennungen

22. August 2025

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Die Auseinandersetzung um die Straßenumbenennungen in Münster-Ostviertel hat zuletzt wieder hohe Wellen geschlagen.
Die Bürgerinitiative, die mit fragwürdigen Aussagen Stimmung gemacht und Unterschriften gesammelt hat, hat sich nun auch in den Kommunalwahlkampf ein gemischt. Für uns VVN-BdA ist klar: Die Umbenennung, der nach „Kriegshelden“ benannten Straßen, muss bleiben. Die Marinekommandanten, die wie Admiral Scheer Justizmord unterstützte und am Ende des Ersten Weltkriegs noch Tausende junge Seeleute in den Tod treiben wollte, dürfen das Straßenbild einer demokratischen Stadt nicht länger prägen.
Siehe auch unsere Stellungnahme.
Wir haben dazu Stefan Querl, den Leiter der Forschungs – und Gedenkstätte interviewt. Er wohnt selbst in einer der Straßen, deren Umbenennung von der BV Mitte mit großer Mehrheit beschlossen wurde.

Das Interview ist Teil der Sendung „antenne antifa“ vom 12.08.2025 ab Minute 9. Die Sendung ist abrufbar bei NRWision und als Podcast (RSS).

Dies ist der Text des Beitrags. Es gilt das gesprochene Wort.

Hallo, ich sitze hier mit Stefan Querl oder ich habe gesessen mit Stefan Querl in einem Raum in der Villa ten Hompel, der etwas hellhörig war. Und deswegen muss ich meine Fragen noch mal einsprechen. Und jedenfalls meine ersten beiden Fragen an Stefan Querl waren:

F: Wie war der Vorlauf zu der Entscheidung über die Straßennamen in Münster-Mauritz? Und war die Villa beteiligt an Sammlungen zu Grundlagen für die Entscheidung der Politik?

A: „Ehre wem Ehre gebührt“ hieß eine Kooperation vor vielen Jahren, als es um die Diskussion um Hindenburgplatz etc. ging. Und damals gab es ja schon Kommissionsempfehlungen, auch auf die anderen Stadtteile bezogen, auch auf die Straßen um die es jetzt gerade geht in der Kontroverse. Und wir sind immer wieder von den zum Beispiel vorpolitischen Initiativen, aber auch von den Parteien selber auch im Rat gefragt worden. Federführung bei dem Ganzen hat das Stadtarchiv, natürlich aber im guten Einvernehmen mit dem Geschichtsort und mit den Ämtern, die eben für Straßenbenennungen zuständig sind, Katasterbehörde und so weiter. Von daher war das immer ein guter Austausch in der Sache. ist es am Ende ’ne politische Entscheidung, selbstverständlich keine, die die Verwaltung fällt.
Aber ich hab den Eindruck, dass sich alle Beteiligten richtig intensiv auch Gedanken gemacht haben zu dem, was sie für kontaminierte Benennungen halten und führt zu dem, wo sie sagen, das kann man beibehalten.

F: Das Ganze hat also einen Vorlauf, der über 10 Jahre her ist. Da gab es schon eine Kommission, um Grundlagenwissen zu sammeln für die Umbenennung des Hindenburgplatzes in Schlossplatz.
Gegen diese Umbenennung gab es dann den Versuch eines Bürgerentscheides. Der Bürgerentscheid vom 16.9.2012 entschied sich mit 59,38 Prozent der Stimmen gegen eine erneute Rückumbenennung, also gegen die Beibehaltung eines Hindenburgplatzes im Endeffekt. Weißt du noch, wie das damals genau zustande kam?

A: Mich hat die damalige Schärfe in den Sachfragen selber überrascht. Die Debatte war ja sehr, sehr heiß gelaufen und meinem Dafürhalten droht das jetzt in Teilen auch wieder, weil eben Straßennamen erst mal Ehrungen sind. Und an der Stelle wird es eben schwierig. Die in der NS-Zeit teils glorifizierend, teils geschichtsrevisionistisch gewählten Namen sind eben problematisch. Ich bin selber Anwohner einer Straße, um deren Veränderungen im Namen es geht, und weiß natürlich, dass das für Anwohnerinnen und Anwohner immer ein Ärgernis ist, Dinge ändern zu müssen. Gleichzeitig find ich es als Signal aber eben auch wichtig, darüber neu nachzudenken.

F: Es gibt ja da auch den Ansatz dieser neuen BI, die dann eben sagen, das wäre jetzt Geschichtsvergessenheit, wenn man das einfach wieder umbenennt, die Straßen. Aber es gibt doch sicherlich auch Überlegungen, dass man da irgendwie Ergänzungen an die Schilder macht, die dann neu kommen, dass man noch mal sagt, warum und was für ’n Bezug das hat.

A: Ich muss sagen, als jemand, der aus der Vermittlung aus der Gedenkstättenpädagogik kommt, find ich, dass das eigentlich Spannende mit diesen Namen zu arbeiten, mit den Kontaminationen und auch kritisch zu hinterfragen, wie jede Generation sich vielleicht auch ihre Geschichtsbilder neu schafft. Und die politische Entscheidung, wie eine Straße heißen soll, ist für mich eher erstmal auch der Anstoß zu sagen, wir gehen zum Beispiel mit verschiedenen Generationen ins Gespräch darüber, denn auch da – ich nehme jetzt noch mal das Uralt-Beispiel Hindenburgplatz, Schlossplatz, lag ja ganz viel drunter. Für Menschen ist zum Beispiel der Platz bedeutsam gewesen. Dort war immer Send, dort war die Möglichkeit gegeben, eben auch zu parken und Gestaltungsfragen spielten eine große Rolle. Also es geht ja um viel, viel mehr als um das Pflaster, auf das man da tritt.

F: Ja, sicherlich und scheinbar hatte ja auch für Vertriebene der Hindenburgplatz dann auch irgendwie eine Bewandtnis, nämlich genau mit der Tannenbergschlacht.

A: Es gab da ja auch mehrere Ebenen noch. Also die Benennung Hindenburgplatz war keine NS-Benennung, die war vorher erfolgt, wenn ich es richtig im Kopf hab, 1927 und gleichzeitig. gibt es auch kein Pflaster dort, sondern der Hindenburgplatz ist eben immer ein Ort gewesen, wo Gestaltungsfragen dann auch aufgeschoben worden sind.
Aber vielleicht jetzt zu den Wohnstraßen, die ja nun mal, weil es da viele betrifft, auch sehr in die Kontroverse gehen. Mein Eindruck ist, dass die, die als politische Verantwortungsträgerinnen und Träger jetzt entscheiden, dass sie sich eben richtig lange auch Gedanken gemacht haben und dass das jetzt keine Schnellschüsse sind. gleichzeitig aber eben natürlich auch Streitthemen. Und das ist bei Zeitgeschichte nicht so ganz unnormal.
Die Infoveranstaltungen zum Beispiel in den Schulen, die es gab, die haben Gelegenheit zur Auseinandersetzung gegeben. Da sind meinem Wissen auch die Klingen richtig gekreuzt worden. Und jetzt bin ich gespannt, wie sozusagen der politische Raum, wenn dann der Rat neu gewählt wird im September, sich des Themas annimmt. Die Bezirksvertretungen, die haben klare Entscheidungen gefällt mit ihren jetzigen Mehrheiten. Ausnahme ist ein bisschen Gremmendorf, das hat aber sozusagen auch noch eine andere Ebene, die uns vielleicht jetzt wegführt zu dieser eigentlichen, von dieser eigentlichen Geschichtsfrage dabei.

F: Was hast du als Vertreter eines Geschichtsortes zur NS-Zeit für eine Meinung zu der aktuellen Diskussion über die Straßennamen?

A: Als Geschichtsort, der eben auch klar antifaschistisch positioniert ist, bin ich natürlich sehr hellhörig bei bestimmten historischen Bedeutungen der Straßen. Und das, was in der NS-Zeit an Benennungen erfolgt ist, kann heute nicht mehr als Ehrung stehen. Da bin ich sehr, sehr klar.
Mir ist aber bewusst, dass das Aushandlungsprozesse im politischen Raum sind.
Und deshalb muss man dann im Zweifelsfall auch Mehrheitsentscheidungen akzeptieren oder auch ein Bürgerbegehren, wenn es denn dazu kommt.
In jedem Fall finde ich es wichtig, mit den Namen zu arbeiten und jungen Menschen zum Beispiel zu erklären, warum bestimmte Admiräle, warum bestimmte Schlachten in der deutsch-europäischen Geschichte eine hohe Brisanz haben.