Arisierungen nicht banalisieren

5. April 2018

VVN/BdA Münster kritisiert Austermann-Bewertung der Stadtverwaltung: Schlussfolgerung nicht ausreichend
Pressemitteilung!

Die VVN/BdA hat die Stellungnahmen der Stadtverwaltung zu der Personalie Heinrich Austermann zur Kenntnis genommen und bewertet. Der ehemalige Stadtdirektor sei „ein kleines Rad im Getriebe“ gewesen und habe keine „eigene Entscheidungsbefugnis“ gehabt.

Übersehen wird aus Sicht von uns Antifaschist*innen, dass es eben jene Schreibtischtäter waren, die den Terror und die Gewaltherrschaft im damaligen Deutschland am laufen hielten und für die Umsetzung sorgten…

…- was sich an der verwaltungsbürokratischen Umsetzung der „Arisierung“ gut beobachten lässt. Die damaligen Gesetze, die Grundlage der Enteignung jüdischen Eigentums waren, waren allesamt rechtswidrig, es mussten Entschädigungen für die überlebenden Opfer geleistet werden.

Nicht zuletzt hat es in der letzten Zeit auch eine andere juristischen Bewertung von Verwaltung der Nazi-Zeit gegeben: Der Buchhalter von Auschwitz, Oskar Gröning, wurde der Beihilfe an der industriellen Massenvernichtung schuldig gesprochen. Bereits Hannah Arendt hatte in „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“ bezogen auf die Schreibtischtäter als „erschreckend normal“ beschrieben. Für die Opfer der „Arisierungen“ waren die damals in der Verwaltung Beschäftigten sicher nicht harmlose Aktenschieber.

Die Aktenlage insgesamt ist tatsächlich sehr dünn. Zumindest ist die NSDAP-Mitgliedschaft Austermanns durch einen Katasteramtsauszug belegt. Ansonsten darf angenommen werden, dass weitere Informationen über Austermann und eine Auskunft über sein Entnazifizierungsverfahren vernichtet worden sind und somit wichtige entscheidungserhebliche Hinweise nicht mehr rekonstruiert werden können.

„Wir erwarten, dass sich die politischen Entscheidungsträger*innen ein eigenes Bild machen und nicht unkritisch die Position der Stadtverwaltung übernehmen. Es ist jedenfalls gut, dass intensiv über das Wirken Austermanns diskutiert wird. In jedem Fall wäre es unvollständig in Austermann nur einen tüchtigen Stadtdirektor und Stadtentwickler zu sehen. Wir werden weitere eigene Recherchen anstellen“, so Detlef Lorber von der VVN/BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschist*innen) Münster.

Die VVN/BdA hatte gemeinsam mit dem DGB-Stadtverband den Antrag auf Straßenumbenennung bzw. ein ergänzendes Schild gestellt.